Osnabrück. „Spannend und lehrreich“ fand Meike Key, 17 Jahre, die zwei Wochen im russischen Ostsibirien. Die Weite der Steppe, die Schönheit des Baikalsees – es sind ungewöhnliche und bleibende Eindrücke, welche die 15 Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 19 Jahren aus fünf verschiedenen Osnabrücker Schulen sowie ihre zwei erwachsenen Betreuer wieder mit nach Hause nahmen.
Am 03. 08. empfing Oberbürgermeister Boris Pistorius im Rathaus einige der Jugendlichen und die Organisatoren der diesjährigen Russlandreise. Sie hatten einige Geschenke für ihn mitgebracht: je eine Flasche Wasser aus dem Baikalsee und von einer heiligen Quelle, ein Buch mit Erfahrungsberichten über die bisherige mehrjährige Kooperation zwischen Osnabrück und Burjatien sowie einen typischen blauen burjatischen Schal, mit denen in Burjatien besondere Personen geehrt werden. Der Oberbürgermeister, der im Jahre 1979 selber als 19jähriger für zwei Wochen am Baikalsee war, zeigte sich sehr interessiert an den Schilderungen und Eindrücken der jungen Leute. „Es war eine fremde Welt“, erinnerte sich Paul Thaler, 16 Jahre, an seinen Aufenthalt, „am meisten hat mich erstaunt, wie nett und entspannt die Menschen dort sind.“
Gemeinsam mit dem „Baikal Informationszentrum GRAN“ organisierte der „Verein für Ökologie und Umweltbildung in Osnabrück e.V.“ vom 21. Juni bis 6.Juli bereits den vierten Schüleraustausch seit 2007 mit der russischen Teilrepublik Burjatien östlich des Baikalsees. Zu etwa 50% wird die Reise wieder von der Deutsch-Russischen Jugendaustauschstiftung und der Stadt Osnabrück bezuschusst. Die Teilnehmer sollten dabei die ökologischen Besonderheiten der Baikalregion und die vielfältige landestypische Kultur kennenlernen. Auf einem Vorbereitungswochenende im Lernstandort „Noller Schlucht“, der sich aktiv an der Vorbereitung und Durchführung des Jugendaustausches beteiligte, hatten sich die Jugendlichen schon voller Vorfreude auf diese Reise eingestimmt, etwas Russisch gelernt und sich ein wenig mit dem fernen Land vertraut gemacht. Am 21. Juni war es endlich soweit: Nach 16 Stunden Reisezeit, fast 8000 Flugkilometern und mit 7 Stunden Zeitverschiebung landete die Gruppe bei 40 Grad im Schatten in Ulan-Ude, der Hauptstadt Burjatiens. Durch die Unterbringung in Gastfamilien wurde das Eintauchen in die dortige Lebensweise erleichtert. Obwohl in manchen Familien kaum Englisch oder Deutsch gesprochen wurde, „klappte die Verständigung mit Händen und Füßen“, erinnert sich Marie Höweler.
„Das Land und die Kultur kennenlernen“ war das Motto der ersten Woche: Die Osnabrücker Gruppe besuchte ihre Partnerschulen, die weit verstreut im dünn besiedelten Burjatien liegen. Burjatien ist so groß wie Deutschland, hat aber nur 950.000 Einwohner. Zur großen Überraschung und Freude der Jugendlichen wurden sie überall mit einer aufwändigen Zeremonie mit Trachten, Volkstänzen und Volksliedern begrüßt. Auch so manches andere schien den deutschen Schülern fremd: So ist das Schulgebäude in den kleineren Ortschaften Burjatiens oft eines der schönsten Gebäude des Ortes. Grafitti und Vandalismus sind hier unbekannt, im Gegenteil: mit großer Selbstverständlichkeit übernehmen Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren LehrerInnen in den Sommerferien die Renovierungsarbeiten an ihrer Schule.
Ungewöhnlich für Osnabrücker Schüleraugen waren auch die „Ehrentafeln“ in den Schulen, auf denen die besten Schüler und Schülerinnen mit Foto und Namen verewigt werden. In Russland ist das Wettbewerbsprinzip sehr wichtig: Jede Schule schmückt sich gerne mit ihren burjatischen oder gar allrussischen „Siegern“ in Fächern wie Sport, Fremdsprachen oder Mathematik.
Zwischen den Schulbesuchen organisierten die russischen Partner Ausflüge ins Umland: Zu heiligen Quellen, Kirchen, buddhistischen Tempeln oder auch heiligen Steinformationen: Mit einem robusten Schulbus kämpften sich die Fahrer dabei oft stundenlang über staubige Steppenpisten, abenteuerliche Steigungen oder durch dichten Nadelwald, um auch abgelegene Ziele zu erreichen - Fahrten, die den Teilnehmern sicher lange in Erinnerung bleiben. In der zweiten Woche ging es dann direkt an den Baikalsee zur „Internationalen Sommerschule“ in das kleine Örtchen Enchaluk . Ein straffes Programm führte die deutschen und ihre gleichaltrigen russischen Mitschüler durch den Tag: Morgens gab es Frühsport, dann Frühstück und danach wurde gemeinsam gelernt: Ein „interkulturelles Training“ vermittelte den Schülern anhand von Märchen, Gedichten und Sprichwörtern die Unterschiede zwischen östlicher und westlicher Kultur. Auch Unterrichtseinheiten in Botanik, Gewässerkunde oder Ornithologie standen auf dem Programm, durchgeführt von Fachwissenschaftlern der Universität Ulan–Ude.
Darüber hinaus war eine „Baikal-Olympiade“ angesetzt: In den Disziplinen Fußball, Volleyball, Federball, Laufen, Schach und Dame traten die Jugendlichen in Wettbewerben gegeneinander an. Gute Leistungen wurden - wir hier allgemein üblich - mit Urkunden belohnt. Einige der Siegerurkunden verteilte sogar der burjatische Bildungsminister persönlich während einer Stippvisite im russisch-deutschen Jugendlager. Die Osnabrücker konnten dabei so manche Disziplin für sich entscheiden. Auch bei den abendlichen Lieder- und Gedichtwettbewerben am Lagerfeuer hielten die deutschen Jugendlichen gut mit den sangesfreudigen Russen mit: Zwar zählt der Fußballsong „54, 74, 90 – 2010“ von den Sportfreunden Stiller nicht unbedingt zu den klassischen deutschen Volksliedern, wurde aber von den Osnabrückern Jugendlichen immer wieder mit Begeisterung vorgetragen.
Die Leidenschaft der deutschen Gäste für den Fußball mag den Russen etwas seltsam vorgekommen sein: Trotz Zeitverschiebung und Mangel an tauglichen Fernsehgeräten war es völlig undenkbar, das WM-Spiel gegen England zu verpassen! So drängten sich am Spieltag spätabends um 11 Uhr sämtliche Osnabrücker und Burjaten, also weit über 30 Personen, um ein kleines rauschendes Fernsehgerät in einem viel zu engen Vierbettzimmer. Dieses gemeinsame Anfeuern und Mitfiebern war für alle ein unvergessliches Gemeinschaftserlebnis. In der knappen Freizeit und bei der sommerlichen Hitze gab es für die deutschen Jugendlichen nur ein Ziel: „Ab in den See!“ Mit einer Wassertemperatur von etwa 17 Grad und einem sanft abfallenden Strand eignete sich der sonst sehr kalte Baikal an dieser Stelle recht gut zum Baden. Vor oder nach dem Bad oder auch dazwischen wurde zum Aufwärmen gerne die „Banja“ besucht – die typische russische Sauna. Das machte das Freizeitvergnügen perfekt. „Schwimmen und Banja waren die Highlights am Baikalsee“, meint Marie, 16 Jahre.
Die letzten Tage vor der Abreise verbrachte die Gruppe wiederum in Ulan Ude: Zeit zum Shoppen oder für gemeinsame Unternehmungen mit den Gastfamilien. Dann kam der Tag des Abschieds von den neuen Freunden mit vielen Umarmungen und so mancher Träne und natürlich dem Versprechen, sich wiederzusehen - im nächsten Jahr, beim Gegenbesuch in Osnabrück. Die ausführliche Dokumentation des Jugendaustausches sowie einer zur gleichen Zeit durchgeführten Reise einer kleinen Gruppe von Erwachsenen aus Osnabrück erscheint in den nächsten Wochen auf der deutsch-russischen Website www.baikal-osnabrueck.net.
An dem Artikel waren Meike Key und Marie Höweler (Schülerinnen) sowie Uschi Wilm-Chemnitz (Betreuerin für die Jugendlichen) und Gerhard Becker (Betreuer für die Erwachsenen) beteiligt.
Für den Artikel steht der Presse eine Auswahl von Fotos zur Verfügung!
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