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Dann aber, im Jahre 1929, passierte das Unglaubliche: wegen der Haseverschmutzung mußte ein renommierter Osnabrücker Betrieb - nämlich Kämmerer - kurzfristig seine Arbeiter entlassen! Nicht nur die Bevölkerung, auch der Magistrat wurde endlich wachgerüttelt! Was war geschehen?
Ab Juli 1929 häuften sich die Negativschlagzeilen über die Hase. Es verging fast kein Tag, an dem nicht erneut über die Haseverschmutzung und dem schrecklichen Gestank des Flusses berichtet wurde. Diese ob des Zustandes der Hase sehr begründete massive Berichterstattung sorgte dafür, daß bei der Bevölkerung die Thematik ständig präsent war. Bürgervereine wandten sich an den Magistrat mit der Bitte, sich dieses Problems anzunehmen. Aber wie sollte man so schnell Herr der Lage werden, nachdem die Hase jahrzehntelang vergewaltigt worden war?
Abb. 14: Schlagzeilen in der Osnabrücker Zeitung 1929 |
Nur radikale Maßnahmen wie etwa ein Verbot der Einleitungen sämtlicher Abwässer hätte helfen können, aber sogar die Osnabrücker Zeitung, die öffentlich darüber nachdachte, bezweifelte, daß eine solche Maßnahme, die enorme wirtschaftliche Folgen gehabt hätte, jemals würde realisiert werden können. Die Polizeidirektion wandte sich an die Anlieger, um die Verschmutzung zu stoppen (aber das hatte ja bereits seit 50 Jahren nicht gefruchtet), Bürgervereine forderten die sofortige Reinigung und Entschlammung der Hase, da die Selbstreinigung erwiesenermaßen nicht einmal mehr bei Hochwasser funktionierte. Der Magistrat vertrat jedoch die Ansicht, daß eine ausreichende Regenmenge das Problem lösen würde. Pech war, daß man einen heißen Sommer ohne Regen erlebte ... In der Presse wurde begrüßt, daß die gesamte Thematik endlich das Bewußtsein der Öffentlichkeit erreicht hatte. Immer massiver kritisierte die Tagespresse die „Politik des Aussitzens“ der Verwaltung. Dann - am 3. September 1929 - schlug eine Nach¬richt ein wie eine Bombe:
„390 Arbeiter werden durch die Verschmutzung der Hase brotlos. Wir haben in den letzen Wochen schon mehrfach auf die fürchterliche Verschmutzung der Hase hingewiesen und haben mehr als einmal energisch Abhilfemaßnahmen von Seiten der Stadt gefordert. Bisher ist aber, trotzdem Wochen vergangen sind und die Verschmutzung von Tag zu Tag schlimmer und der Geruch von Stunde zu Stunde unerträglicher wird, nichts geschehen; scheinbar wartet man noch immer auf Umschlagen des Wetters. (...) Schon am Sonntag konnten wir der Bürgerschaft mitteilen, daß sich die Papierfabrik Gebrüder Kämmerer habe entschließen müssen, die Arbeitszeit ihrer Belegschaft von 390 Mann auf drei Tage in der Woche ab nächsten Montag herabzusetzen und zwar allein wegen der grenzenlosen Verschmutzung der Hase. Da aber bisher noch immer nichts geschehen ist, hat sich die obige Firma gestern genötigt gesehen, ihrer gesamten Belegschaft zum übernächsten Montag, 16. September, zu kündigen, da eine Weiterführung des Betriebes bei diesem Zustand der Hase nicht mehr möglich ist.“
Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist ... Jetzt war die Verwaltung wachgerüttelt worden! Man darf nicht vergessen: Die krisengeschüttelte Weimarer Republik taumelte gerade in die Weltwirtschaftskrise hinein, die wenige Tage später durch den sogenannten Schwarzen Freitag „offiziell“ eingeleitet wurde.
Der Verlust von 390 Arbeitsplätzen in der Stadt war eine mittlere Katastrophe! Außerdem mußte die Stadtverwaltung nun, angesichts dieser massiven Kritik, endlich rege werden, wollte sie nicht ihre gesamte Glaubwürdigkeit verlieren. Sie entschloß sich zu guter Letzt, die Hase zu reinigen und verfaßte erstaunlich schnell einen umfangreichen, sofortigen Maßnahmenkatalog, der bereits einen Tag später veröffentlicht wurde: die Stauziele sollten so zu regeln sein, daß innerhalb des Stadtgebietes die Hase genügend Wasser führen konnte (was angesichts der Trockenheit sehr schwierig war), Ufer und Bachbett sollten entschlammt und gereinigt und erneute Verhandlungen mit den Betrieben und Werken, welche ihre Abwässer in die Hase leiteten, aufgenommen werden. Zu spät! Wegen der Hase sah sich Kämmerer genötigt, seine Belegschaft bereits eine Woche eher als angekündigt zu entlassen, zumal man in den verpesteten Räumen nicht mehr arbeiten konnte. Später im Jahr sorgten anhaltende Herbst- und Winterniederschläge dafür, daß sich die Situation ein wenig entspannen konnte. Aber nun war es allen klar: Es mußte etwas geschehen, und zwar sehr schnell!
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