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Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Wiederaufbauarbeiten erhielt die Hase einen neuen Wert: Sie war schlicht und ergreifend im Wege und mußte weg! Bereits in der Weimarer Republik geplant: die Haseverdeckelung!
Erstaunlicherweise stammt der erste Vorschlag für das, was sich später so modern „Haseverdeckelung“ nannte, schon aus der Zeit der Weimarer Republik! Aus der Bürgerschaft kamen Vorschläge, die Hase von der Georgsbrücke bis zum Neumarkt zu überbauen, um Parkplätze zu schaffen!!! Eine erste Verkehrszählung in Osnabrück 1927 hatte ergeben, daß bei dem rollenden Verkehr 55,4% auf Kraftfahrzeuge und die restlichen 44,6% auf pferdebespannte Fuhrwerke entfielen. Die Verkehrszählung hatte auch ergeben, daß z.B. durchschnittlich 1037 Fahrzeuge täglich über den Neuen Graben fuhren und 1021 über die Wittekindstraße.
Abb. 15: Nichts neues von der Hase... Auch nach dem 2. Weltkrieg -hier im Sommer 1949- zeigte die Hase das übliche Bild: Niedriger Wasserstand udn stark verkrautet. Jeder Schmutz konnte darin hängenbleiben. |
Angesichts der engen und schmalen Straßen und des mittelalterlichen Stadtbildes nahm man damals die Verkehrsentwicklung durchaus als Problem wahr - aber aus anderer Sichtweise. Noch galt es, die Stadt dem wachsenden Verkehr anzupassen, um die Probleme zu lösen. In diesem Zusammenhang entstanden auch die ersten Überlegungen, Teile der innerstädtischen Hase zu überbrücken, um Flächen für den ruhenden Verkehr zu schaffen. Die Hase war zu nichts nütze, sie war ohnehin ein ständiges Ärgernis, was also tun damit? Am besten verschwinden lassen und den kostbaren innerstädtischen Platz anderweitig nutzbringend zur Verfügung stellen. Das Osnabrücker Tageblatt stellte angesichts der Sommerhitze 1934 fest, daß die Haseverschmutzung gleich geblieben, dank der zahlreichen Maßnahmen der vorausgegangenen Jahre aber zumindest der schreckliche Gestank ausgeblieben sei. Da aber niemand glaubte, der Zustand würde sich grundlegend ändern, sollte man Überlegungen anstellen, ob man die Hase im Innenstadtgebiet nicht kanalisieren (damit das Wasser schneller durchfließen und sich kein Unrat mehr absetzen könne) oder, besser noch, auf ihrer übelsten Strecke zwischen Wittekindstraße und Herrenteichswall verrohren solle, außerdem würde man dadurch mehr Platz für den Verkehr erhalten. Selbstverständlich sei es wünschenswert, einen natürlichen Fluß in der Stadt zu haben, aber diesen Traum werde man wohl aufgeben müssen.
„Wie man hört, wird jetzt der Ausbau des äußeren Fuß- und Radweges am Herrenteichswall zu einer Fahrstraße in Einbahnrichtung im Zusammenhang mit dem Projekt ‘Haseüberbauung’ ernstlich in Erwähnung gezogen. Es ist notwendig, diese ‘stille Reserve’ nunmehr anzugreifen: so schmerzlich für viele die damit verbundene Störung des Friedens dieser ‘grünen Insel in der Großstadt’ sein mag und so störend er sich auch für die hier gelegene Schule auswirken wird - die Rücksicht auf die Menschenleben, die in der verkehrsüberlastenden Innenstadt täglich in Gefahr sind, muß den Ausschlag geben.“ (NTP, 10.6.1954)
Einmal ausgesprochen, geriet diese Vorstellung nicht wieder in Vergessenheit. Die zeitlichen Umstände jedoch wie Krieg, Nachkriegszeit und Wiederaufbau gewährten dem gebeutelten Fluß eine Schonfrist, viele andere Dinge waren weitaus wichtiger geworden. Aber ab Mitte der 1950er Jahre tauchte das Thema Haseverdeckelung wieder in der Tagespresse auf. Zwar war der Fluß ein klein wenig ansehnlicher geworden, es lebten dort auch wieder Fische, aber ein Ärgernis war der „unnütze“ Fluß nach wie vor. Vereinzelte Leserbriefe äußerten sich durchaus positiv zu dieser Thematik, wenn auch der Rat zu diesem frühen Zeitpunkt (1954) davon ausging, daß 70 % der Osnabrücker gegen eine Haseüberbauung seien. Erstaunlich ist allerdings, daß im gleichen Zeitraum Überlegungen angestellt wurden, den Bereich der Hase im Nordwesten der Stadt und hinter dem Areal der Fa. Kämmerer zu „renaturieren“, weil er ein verwahrlostes Bild bot.
Auffallend ist aber auch, daß es nicht um die Wiederherstellung des gesunden Biotops Hase ging, sondern darum, das Bild zu verschönern. Aber immerhin ein Anfang. Trotzdem wurde auch in Leserbriefen die Haseüberbauung befürwortet. Die erwogene Haseüberbauung sei, so wird weiter gesagt, auf lange Sicht durchaus begrüßenswert. Um die weitere Planung in Angriff nehmen zu können, mußte der Rat erst einmal die Fluchtlinien der Grundstücke an dem betreffenden Haseabschnitt neu festsetzen, damit die Anlieger nicht mehr nach Gutdünken Bauabsichten am Haseufer verwirklichen konnten. Zu diesem Zeitpunkt war man bereits dabei, einen Abschnitt der Hase zwischen Friesen- und Bruchstraße (in der Nähe des Bahnhofes) mit einer Betondecke zu schließen. Das Osnabrücker Tageblatt äußerte sich aber eher skeptisch:
„Die Haseüberbrückung ist Zukunftsmusik. Doch ertönte sie in der vorletzten Sitzung des Rates so laut, daß sie in den Ohren der Anlieger heute noch nachklingt. Nichts gegen die Festlegung der Fluchtlinien. (...) Vor Inangriffnahme des letzten Planes aber sollten alle Gesichtspunkte Berücksichtigung finden, um die Vor- und Nachteile sowie die finanziellen Belastungen genau abzuwägen.“
Bei der „Verdeckelung“ der Hase am Bahnhof wurde in der Zeitung festgestellt, daß der Fluß dort wenigstens nicht mehr „zum Himmel stinken“ könne!
„Die Überbrückung der Hase zwischen Wittekindstraße und Georgstraße muß unbedingt noch in diesem Jahr erfolgen. Entsprechende Mittel sind bereits im Haushaltsplan vorgesehen. Die Anlieger sollten ein Einsehen haben und mit dafür sorgen, daß die noch anstehenden Grundstücksschwierigkeiten schnellstens ausgeräumt werden. (...) Ich bin auch der Meinung, daß eines Tages die Hase auch zwischen der Wittekindstraße und der Schlagvorderstraße überbrückt werden muß, um vor allem Parkplätze für die Kunden der Stadtsparkasse zu schaffen.“ (NTP, 30.1.1965)
Der Bürgerverein von 1880 regte an, die Haseüberbrückung - am besten von der Wittekindstraße bis hin zum Herrenteichswall - so schnell wie möglich in Angriff zu nehmen, um die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten. Aber noch schienen nicht alle Osnabrücker von diesem Projekt überzeugt zu sein. Zumindest die Haseanwohner waren wohl eher skeptisch, denn der Vorsitzende der FDP-Fraktion versuchte zu vermitteln.
Hier wird ersichtlich, daß sich wenigstens einige Anwohner den Plänen gegenüber sperrten, wenn auch nicht aus ökologischen, so aus privaten und finanziellen Gründen. Ein Kommentar der Neuen Tagespost forderte ein Jahr später auf:
„Nur noch zwei Grundstücksschwierigkeiten sind zu beseitigen. Die beiden Anlieger sollten endlich auch grünes Licht signalisieren. (...) Eines freilich paßt nicht in die Hoffnung auf eine endgültige Lösung des Verkehrsproblems: Die Hase soll zunächst nur bis zur Georgstraße überbrückt werden. Warum so kleingläubig? Warum nicht gleich Nägel mit Köppen machen und auch das Hasestück zwischen Georg- und Herrenteichsstraße überbrücken?“
Die Presse sowohl als Sprachrohr der öffentlichen Meinung als auch in ihrer Funktion zur Meinungsbildung in der Öffentlichkeit: die Stoßrichtung stand fest. Über die Hase als Fluß sprach niemand mehr.
„Warum so kleingläubig? Warum nicht gleich Nägel mit Köppen machen und auch das Hasestück zwischen Georg- und Herrenteichsstraße überbrücken?“ (NTP, 22.1.1966)
Zum Erstaunen der Passanten wurde das Flußbett im entsprechenden Haseabschnitt gepflastert, damit ein schnellerer Wasserdurchlauf unter dem Deckel gewährleistet werden konnte. Welchen tatsächlichen Wert die Hase in der Stadt noch hatte, wird in einem Leserbrief nach Vollendung des Hasedeckels ersichtlich. Landschafts- und Naturschutzmaßnahmen als (im negativen Sinne gemeinte) mittelalterliche Anschauungen - deutlicher kann man die Einstellung zur Hase nicht zum Ausdruck bringen!
Bei diesen Vorgängen darf man eines nicht vergessen: Die Funktion einer Innenstadt wurde in den 1960er Jahren anders als heute bewertet. Damals meinte man, eine City müsse tatsächlich „funktionieren“, und zwar im ökonomischen Sinne. Innenstadt- und Verkehrsplanung (sowohl für den rollenden als auch für den ruhenden Verkehr) sollten dieser rein ökonomischen Funktion angepaßt werden.
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