Der Name des Stadtteils „Wüste“ lässt sich auf das plattdeutsche Wort „wöst“ zurückführen und bedeutet „unbewohnbar“. Tatsächlich war das heute beliebte Wohngebiet in Osnabrück einmal ein unbewohnbares Sumpfgebiet in der Talsenke zwischen Kalkhügel und Westerberg (vgl. Köhler 2004). Das Gebiet wurde wenig genutzt, da es sich kaum als Weideland eignete. Man vermutet, dass hier Torf gestochen wurde (vgl. Osnabrücker Tageblatt 1955). Obwohl sich die Bürger Osnabrücks vor den einzelnen Stadttoren in verschiedenen Weidegenossenschaften (sogenannten Laischaften) zusammengeschlossen hatten, deren Name sich nach dem Stadttor richtete, zu dem das Vieh hinausgetrieben wurde, verblieb die „Wüste“ in Allgemeinbesitz.
Dies nahm ein Ende, als Bürgermeister Schepeler 1648 durch die Ziehung des Pappelgrabens eine Grenzlinie zwischen die Feldmark der Altstadt und der Neustadt setzte. Der Pappelgraben wurde in gerader Richtung auf den Turm der Katharinenkirche ausgerichtet. Der an der Stadtgrenze gesetzte Grenzstein steht heute noch am Graben. Er wurde an die Brücke versetzt, an der der Pappelgraben die Straße „Quellwiese“ unterquert.
Die Drainage des feuchten Gebietes bereitete auch im Laufe der weiteren Jahrhunderte Schwierigkeiten. Von 1781 bis 1784 baute man den Pappelgraben als Entwässerungskanal aus, der aber noch nicht zu der erhofften Trockenlegung führte.
Mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung der Stadt ging die Viehwirtschaft deutlich zurück. Zudem erhöhte sich die Nachfrage der Stadtbewohner nach Gärten. Nach der Auflösung der Laischaften begann in der „Wüste“ über die Erschließung als Gartenfläche schließlich die Entwicklung zum Industrie (57 und Wohngebiet (ebd.).
Um das immer noch sumpfige Gebiet trockenzulegen, vertiefte und verbreiterte man die kleineren Querkanäle des Grabens. Zudem schüttete man das Gebiet auf. Zunächst wurden Überreste der Stadtmauer verwendet. Später (1900 bis 1960) ging man dazu über, den Untergrund mit Hausmüll, Schutt, Schlacken und Asche zu erhöhen. Das Wohngebiet in der „Wüste“ ist aus diesem Grund eine der größten bewohnten Altlastflächen der Bundesrepublik (vgl. Osnabrueck-net 2004, online, 15.09.2006).
1829 wurden an der Nordseite des Grabens Pappeln gepflanzt. So erhielt der Graben seine Bezeichnung (vgl. Hoffmeyer 1995, S. 270).
Um 1960 begannen im Zuge der Kanalisation der „Wüste“ massive Umbauarbeiten am Pappelgraben.
Wo zuvor noch ein kleines Rinnsal entlangfloss, wurde ein großer Vorfluter ausgehoben, in den rechts und links Entwässerungsrohre aus der Vorderen „Wüste“ einmündeten. An der Stelle, an der der Pappelgraben auf die Sandstraße trifft, wurde eine Pumpstation errichtet, die das gesammelte Wasser in das innerstädtische Kanalnetz drückte. Heute wird das Wasser an dieser Stelle nicht mehr abgepumpt. Es läuft durch ein freies Gefälle unterirdisch quer durch die Stadt, bis es am Kollegienwall in der Nähe der Schlagvorderstraße über eine Pumpstation in die Hase befördert wird. Bei starkem Regen werden dazu drei große Hebeschrauben eingesetzt.
Mit zunehmender Bebauung der „Wüste“ wurde in den 60er und 70er Jahren der Ausbau des Pappelgrabens weiter in Richtung Quellwiese vorangetrieben (vgl. Osnabrücker Stadtanzeiger 1959, 1960; Neue Osnabrücker Zeitung 1971).
1980 wurde dann der Bau eines Regenrückhaltebeckens am Hörner Bruch genehmigt. In dieses Becken, das heute wie ein naturnaher, mooriger Teich aussieht, wird das Fahrbahnwasser der A30 geleitet. Der Pappelgraben ist mit dem Regenrückhaltebecken verbunden. Das hier abfließende Wasser zieht in einem sehr schmalen Graben an einem Feld und mehreren Gärten vorbei. Im anschließenden Bereich der Straße „Bühlwiese“ ist der Graben ein Teil der alten Landwehr. 1984 wurden auf einem Abschnitt von 230 m Wälle und Gräben wiederhergestellt. Die bepflanzten Wälle sind inzwischen stark verwachsen. Die Gräben und Vertiefungen haben sich zu Feuchtbiotopen, Lebensraum z.B. für Amphibien, entwickelt (vgl. Stadt Osnabrück, o.Z.(a), S. 31). In diesem Bereich macht der Pappelgraben folglich einen naturnahen Eindruck.
Mitte der 80er Jahre begann der Bau eines großen Regenrückhaltebeckens direkt neben dem Pappelgraben (an der Straße „Am Pappelgraben“). Der so genannte „Pappelsee“ soll das Regenwasser, das aus den bebauten Flächen abfließt, aufnehmen und besser dosiert an den Pappelgraben abgeben. Der Pappelsee ist nach dem „Wüstesee“, der bereits 1975/76 an der Schreberstraße angelegt wurde, das zweite Ausgleichsbecken, das eine weitere Verbesserung der Entwässerung der „Wüste“ ermöglichen soll (vgl. Neue Osnabrücker Zeitung, 1984). See und Graben sind durch eine Rohrleitung miteinander verbunden. Der Pappelsee wurde möglichst naturnah gestaltet und soll der Tier- und Pflanzenwelt, die durch die Ausweitung der Stadt immer weiter zurückgedrängt wird, einen neuen Lebensraum bieten. Um ihn herum führt ein Spazierweg, so dass das parkähnliche Gebiet auch als grüner Erholungsraum für die Stadtbewohner dient (vgl. Neue Osnabrücker Zeitung, 1986).
Das Gebiet um den Pappelgraben wird heute immer noch gerne als Naherholungsraum genutzt. Aus heutiger Sicht ist die Anlage von Pappelsee und Pappelgraben hinsichtlich ökologischer Gesichtspunkte jedoch nicht optimal58. Das Oberflächenwasser aus dem Wohngebiet, das sehr viel Schmutz mit sich führt, fließt sowohl in den See als auch in den Graben und somit letztlich in die Hase.
Im Stadtteil Dodesheide, in dem ähnliche Konstruktionen von Entwässerungsgraben (Klusgraben) und Regenrückhaltebecken zu finden waren, hat man in den letzten Jahren mit Umbauten begonnen. Das Obenflächenwasser fließt nun zunächst in das Regenrückhaltebecken, so dass durch Sedimentation eine mechanische Reinigung erfolgen kann. Über eine rosseleinrichtung an der Verbindungsstelle zwischen Graben und Becken wird das vorgereinigte Wasser Stück für Stück an den Graben abgegeben, der letztlich in die Nette mündet. Dieses System lässt sich aus bautechnischen Gründen jedoch nicht auf den Pappelgraben übertragen.
(1) dieser Abschnitt zum Pappelgraben stammt aus: Lena Hammel: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung an Grundschulen: Konzeptionelle Grundlagen und Möglichkeiten der Umsetzung am Beispiel urbaner Gewässer in Osnabrück, S.86-88 (Staatsexamensarbeit 2006) Hoffmeyer, Ludwig: Chronik der Stadt Osnabrück. 6. Auflage. Belm bei Osnabrück 1995. Die Zeitungsartikel wurden im NUSO-Archiv recherchiert (s. online-Zugang)
(57) Zwischen Martinistrasse und Jahnstrasse entstand ein Industriegrundstück. Die Osnabrücker Traditionsfirma Karmann entwickelte hier u.a. den „Ghia“ (vgl. Köhler, 2004).