Ich habe gelesen, dass es diesen Wettbewerb gibt und dachte mir, dass das doch eine schöne Geschichte wert wäre! Also habe ich überlegt, über welches Tier ich schreiben könnte. Als ich den Artikel in der Zeitung las, in dem vorkam, dass eine Satelitenschüssel aus der Hase gefischt wurde, kamen mir die Bachflohkrebse in den Sinn. Über die konnte man viel erfinden, weil kaum einer die richtig kennt. Tja, und dann habe ich den 2. Sonderpreis gewonnen!!!!
Kristin Rathke
Der Müll von Osnabrück in der Hase
Irgendwo in den Tiefen der Hase lebte ein kleiner Bachflohkrebs. Nun muss man ja erst mal klarstellen, dass die Bachflohkrebse wirklich nicht sehr groß sind, alle gleich aussehen und überhaupt mega langweilig sind. Doch dieser Bachflohkrebs war anders als seine Artgenossen. Anders als z.B. Bruder Bermundo. Bermundo saß den ganzen Tag in seiner Bierdose, die schon rostete, weil er immer seine behalten wollte, sie war nämlich von Warsteiner. Oder Schwester Becki. Sie putzte eigentlich immer: im Haus, vor dem Haus, hinter dem Haus, rechts neben dem Haus, links neben dem Haus und wo es eben noch ging. Dazu trug sie eine gepunktete Schürze ausgeschnitten aus einem Plastiksack. Oder Onkel Bruno! Dieser faule Kerl ließ sich immer die Hase heruntertreiben und fuhr sie dann wieder hoch, indem er eine Art von Gondelzug an dem Haseufer befestigt hatte. Diese bestand aus alten Gummis, die jemand in die Hase geworfen hatte und als Gondel selbst nahm er eine alte Zigarettenpackung. Kurzum: alles war so langweilig, seit die Fische nicht mehr so zahlreich hier waren. Die Fische waren lustig: sie feierten Feste, veranstalteten die „olhasischen Spiele" und sangen in der Nacht.
Aber kommen wir wieder zu unserem Bachflohkrebs. Unser Bachflohkrebs war keineswegs langweilig. Er hieß Bernd Banurandi und hatte eine Frau namens Barbara Banurandi. Gemeinsam mit ihr hatte er vier Kinder. Die älteste Tochter hieß Britta, danach kamen die Zwillinge Bert und Bertha und zu guter Letzt, der Kleinste von allen, Boris. Die ganze Familie lebte in einem Ökohaus. Sie wollten nicht „im Müll wohnen" - wie Mutter Barbara immer so schön sagte.
Bei den Banurandis ging es immer hoch her. Bernd arbeitete im Wasserhilfswerk l'eau des hommes. In seiner Arbeit fühlte er sich wohl. Die Bachflohkrebse dort versuchten mit den Menschen zu kommunizieren. Das war ganz schön schwer und bisher hatte das nur mit Kindern geklappt, weil die Erwachsenen oft kopfschüttelnd davongingen, wenn sie plötzlich ein dünnes Rohr aus dem Wasser herauskommen sahen und dünne Silben, die wohl die Menschensprache sein sollten, hörten. Tja, mit den Menschen braucht man halt viel Geduld. Und die hatte Bernd. Er saß manchmal stundenlang in seinem Büro und man wusste nicht, ob er schlief oder einen Plan ausheckte. Barbara dagegen war eigentlich immer zu Hause. Sie versorgte Boris mit Sandbrei und bewachte seinen Schlaf. Von Britta sah man meist nicht viel, man hörte viel mehr. Sie sang unheimlich laut und öfters auch mal schön. Außerdem spielte sie Saxophon und tanzte. Die Zwillinge waren gerade in der ersten Klasse und spielten immer ihr Lieblingsspiel, welches sich „Ärgert Onkel Bruno" nannte. Doch möchte ich auf dieses Spiel nicht näher eingehen.
An einem ganz normalen Tag kam Bert nach Hause und hielt sich schmerzend den Kopf. Bertha lief voraus und rief: „Mama, Mama!" Obwohl sie nur Mama gerufen hatte, rannte die ganze Familie aus dem Haus. Diesen verzweifelten Ton hatten sie nur einmal gehört: als Bert und Bertha mit einem Kescher kurz aus dem Wasser gehoben wurden, aber dann wieder an einer anderen Stelle ausgesetzt wurden. Nach langem Herumirren fanden sie dann schließlich wieder das Haus. Doch dieses Mal schien es nur Bert zu betreffen, denn dieser weinte, dass man das Wasser richtig auf seinen Wangen sehen konnte und seine nähere Umgebung richtig nach Salzwasser schmeckte! Als Boris seinen großen Bruder so sah, zögerte er nicht lange und heulte zum Steinerweichen mit. Er konnte das nämlich gar nicht haben, wenn jemand weinte.
Mutter schwamm zu ihrem Sohn und hielt ihm seine Hand. „Was ist passiert?', fragte sie Bert immer wieder, doch der konnte nicht antworten. Da ergriff Bertha das Wort: „Bert ist ein großes weißes Ding auf den Kopf gefallen. Noch größer als unser Haus!" Das war wirklich sehr groß und die Banurandis stießen ein lautes „oh je" aus! Bertha fuhr fort: „Zum Glück hatte er weichen Sand unter den Paddeln, so konnte er sich mühevoll darunter herausgraben.
Doch er hat eine Platzwunde am Kopf!- Als Britta das Blut sah, fiel sie auf der Stelle in Ohnmacht. „Ich rufe den Rettungsdienst!" rief Bernd noch und verschwand eilig im Haus. Später im Krankenhaus bekam Bert einen dicken Kopfverband, auf den er sehr stolz war. Er erzählte allen sein Abenteuer und mit jeder Stunde wurde das große weiße Ding - von seiner Phantasie gegossen - immer größer, bis es die Größe eines menschlichen Flugzeuges hatte. Die Banurandis hatten inzwischen das große weiße Ding begutachtet und es entpuppte sich als eine Satellitenschüssel.
Beim Abendessen saßen sie alle zusammen und unterhielten sich munter über dies und das. Nur Bert war still und schaute ganz versonnen aus dem Fenster. Ihm viel auf, dass die ganze Hase voll Müll war und das langsam eine regelrechte Bedrohung wurde! Plötzlich sprang er blitzschnell von seinem Stuhl hoch und rief: „ Ich hab's!" Und er erzählte den anderen seinen Plan zur Müllbeseitigung. „Also, wir könnten erst einmal alle Bachflohkrebse dazu aufrufen Müll zu sammeln und bei der großen Satellitenschüssel zu lagern. Denn was die Menschen uns geben, schenken wir ihnen großzügig wieder zurück! Wenn wir alles zusammen haben, nehmen wir in Gruppen ein Müllteil und legen es schön wie in einem Museum aus, so dass wir irgendwann das ganze Haseufer voll Müll haben. Die Bewohner von Osnabrück werden dies entdecken und aufschreien wegen dem ganzen Müll, denn sie können unter Wasser nicht sehen. Deswegen sehen sie diese Müllhalde nicht! Wenn der Müll nicht reicht, nehmen wir noch ein bisschen von den Papierkörben, die überall stehen. Dies muss natürlich alles über Nacht geschehen. Zusätzlich lassen wir uns noch oben wie tot an der Wasseroberfläche treiben." "Igitt", rief Britta und fiel schon wieder in Ohnmacht. "Aber", fragte Mutter Barbara, "wie wollen wir das unter die Bachflohkrebse bringen?" "Ganz einfach", antwortete Papa Bernd, "wir produzieren Tausende von Schwimmzetteln und lassen sie dann los. Natürlich müssen sie aus auflösbarem Papier sein und eine knallrote Farbe besitzen."
Schon am nächsten Tag sah man überall kleine rote Zettel in der Hase herumschwimmen. Fräulein Bella vom Kosmetikladen "Perle der Hase" fing so eines und las:
Hilfe! Rettet die Hase Hilfe
Liebe/r Bachflohkrebs
Wir treffen uns heute zu einer Notversammlung (I. Tag nach Bürgermeisters Geburtstag) im Gasthaus "Zur betrunkenen Alge.
Bitte um 6.00Uhr da sein!!!"
Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Umgebung. Und tatsächlich: Um 6.00 Uhr traf sich das ganze Dorf im Gasthaus, sodass sie alle gar nicht hineinpassten! So gingen sie zur Satellitenschüssel und setzten sich wie in einer Arena rund herum. In der Mitte stand Bernd. Nachdem er dreimal RUHE! gerufen hatte, hörten auch die letzten Quasselköppe auf sich zu unterhalten. Zuerst ergriff Bürgermeister Bernhard das Wort. Nach dieser zu Tode langweiligen Begrüßung setze er sich wieder und Bernd begann mit seiner Rede. Zwischendurch ging ein leises Raunen durch die Satellitenschüssel. Als Bernd gerade dabei war zu erzählen, dass sie vielleicht alle wie tot an der Wasseroberfläche schwimmen sollten, hörte man schadenfrohes Gekicher von den letzten Bänken und zustimmende Grunzer von den alten Bachflohkrebsen. Als Bernd geendet hatte, klatschten alle begeistert. Sie verabredeten sich zu morgen früh, um abends dann anzufangen, den Müll hoch zu schleppen.
Noch bis spät in die Nacht hinein sah man viele Bachflohkrebse, die schon mal ausgelassen und voller Vorfreude feierten. Die Nachtwächter hatten ihre Mühe, nicht auch in das Gegröle mit einzufallen, sondern für Ruhe zu sorgen. Schließlich wurde es um 3.00 Uhr nachts dann doch ruhig, worüber sich Britta sehr freute, denn für sie war es ein anstrengender Tag gewesen. Der Bachflohkrebsjunge aus ihrer Klasse, den alle nur „den coolen Bachboy" nannten, hatte sie angeredet!!!! Nach der Rede von Bernd kam er zu ihr und fragte sie, ob ihr Vater immer so coole Ideen habe. Sie versuchte lässig zu bleiben und sagte stotternd: „ Yes, ich meine ja, äh, klar - voll krass!" Jetzt lag sie in ihrem Bett und fragte sich, warum alle cool sein können, nur sie nicht!
Am nächsten Tag ging es in Osnabrück und Umgebung hoch her, freilich nicht bei den Menschen, aber bei den Bachflohkrebsen. Sie sammelten alle so viel Müll, dass er schon gar nicht mehr um die Satellitenschüssel herum passte. Die Kinder probierten schon mal "tot" zu spielen und Boris, ja Boris, der verschlief alles.
Gegen Mittag machten die Frauen unter der Leitung von Bürgermeisterfrau Brigitte einen großen Haufen Sandwiches aus dem speziellen Osnabrücker Sandstürzteig. Dieser hieß so, weil er wie Gummi war und man um ihn zu kneten sich auf ihn drauffallen lassen musste. Um eine so große Menge von dem Sandstürzteig zu kneten, kletterten alle Bachflohkrebsfrauen auf den größten Stein, den sie finden konnten und stürzten sich von dort aus auf den weichen Teig. Das schmatzte jedes Mal so doll, dass die Frauen sich schon bald vor Lachen nicht mehr auf den Füßen halten konnten. Als die Sandwiches dann fertig waren, kamen alle - ob groß und klein - auf sie zu gerannt und machten sich über die speziellen Sandwiches her.
Als es anfing zu dämmern, schickten die Bachtlohkrebse eine Spionin namens Birgitt aus. Sie sollte Ausschau halten. ob alles in Ordnung war und sie mit dem Müllausstellen beginnen konnten. Birgitt zog ihren Tarnmantel an und machte sich auf den Weg.
Als sie oben ankam, sah sie erst mal gar nichts, weil es schon sehr dunkel war; doch dann nahm sie die ersten Konturen wahr. Rechts von ihr standen ein paar Häuser. Vor den Häusern standen leuchtende, grinsende Weihnachtsmänner. Links von ihr führte der Haseuferweg entlang. In der Ferne bellte ein Hund und irgendjemand rief etwas. Sie hatten Vollmond - gut für ihr Vorhaben. Sie drehte sich um sich selbst und verschwand dann lautlos im Wasser.
Am Grund angekommen sah sie, wie sich schon Grüppchen bildeten, die je ein Müllteil nach oben bringen wollten. Doch bevor dies begann, wollte Bürgermeister Bernhard noch eine seiner berühmten langweiligen Reden halten. Die Bachflohkrebse machten es sich bequem und warteten, dass sie einschliefen. Doch der Bürgermeister hatte seinen Redezettel vergessen und machte sich auf den Weg ihn von zu Hause zu holen. Doch die Bachflohkrebse nutzten die Gelegenheit und fingen einfach schon mal an. Bernd war mit seiner Cousine Bianka, dem alten Ehepaar Burkhard und Brunhilde und noch anderen in einer Gruppe. Sie hieften zusammen eine Bierdose ans Ufer.Neben ihnen schnaufte Benjamin.Er war so stark, dass er alleine eine ganze Zigarettenpackung tragen konnte. Bald glich das Haseufer schon einer Müllhalde, jedoch trugen die Bachflohkrebse immer noch mehr Müll hinauf. Sie schwitzten und waren zugleich stolz aufeinander. Um kurz vor sechs Uhr in der Frühe war auch das letzte ausgediente Feuerzeug an seinem Platz. Die Bachflohkrebse nahmen ihre Plätze ein und ließen sich auf der Hase treiben.
Nach fünf Minuten kam auch schon ein Mann mit einer Aktentasche unter dem Arm laut pfeifend daher. Als er einen Blick auf die Hase warf, erstarrte er und rief: „Hilfe, ein Alptraum, die Haaaaase! Kommt schnell alle her!" Durch das Geschrei angezogen kamen Leute von allen Seiten auf ihn zugerannt; einer rief sogar die Polizei. Als diese eingetroffen war, sperrte sie das Ufer ab und bat die Leute ruhig zu bleiben.
Bernd lag ganz ruhig neben Brigitta, der Schwester der Frau des Bürgermeisters. Ihn freute der Anblick so vieler Menschen. Auch die heulende Sirene der Polizei gefiel ihm und er beschloss, sobald sie hier weg konnten, sich so ein Ding zu beschaffen. Schon nach ein paar Minuten hörte man einen lauten Motor. Die Müllabfuhr kam gleich mit vier Wagen. Die Müllmänner sammelten allen Müll ein und viele Journalisten versuchten verzweifelt ein Foto zu erhaschen. So ging es weiter, bis aller Müll beseitigt war. „Den vielen Bachflohkrebsen können wir leider nicht mehr helfen", gab ein Polizeisprecher an, ,jedoch werden sie bald verwesen, wegtreiben und untergehen".
Die Bachflohkrebse aber schwammen leise davon und feierten ihren Sieg über den „Müll von Osnabrück".