Globales Lernen (3)

„Was müssen Menschen lernen, um für eine zunehmend globalisierte Welt vorbereitet zu sein?“

Vorbem.: Der größte Teil der hier skizzierten und zum Teil wörtlichen zitierten Argumentationen bezieht sich auf Buch von Scheunpflug / Hirsch (s. u. Liste)

Globalisierung als Entwicklung zur Weltgesellschaft zeigt sich heute auf sachlicher und sozialer Ebene sowie in zeitlicher Hinsicht als schneller [ja sich beschleunigender] Wandel. In sachlicher Hinsicht zeigt sich die Globalisierung vor allem als schnelle Ausbreitung und Dominanz des Wirtschaftssystems des Kapitalismus, aber auch in finanzieller, ökologischer, sicherheitspolitischer, medienbezogener oder telekommunikativer Hinsicht. Dies eröffnet neue Chancen und Perspektiven, aber auch neue Risiken und globale Gefahren. Globale Gefährdungen, unsichere Lebensperspektive, militärische Konflikte erzeugen Migrationsbewegungen bisher unbekannten Ausmaßes. In sozialer Hinsicht stoßen durch diese Entwicklungen Fremdes und Vertrautes in unterschiedlichen Lebenswelten unvermittelt aufeinander, Vertrautes wird zum Bestandteil einer universellen Einheitskultur ... Die alles stellt auch für die Erziehungswissenschaften neue Herausforderungen insofern dar, als alle diese Aspekte nun auf einmal und sich zunehmend gegenseitig bedingend auftreten und dies im Widerspruch zu einer Erziehungswissenschaft steht, die immer noch stark einem Sprach- und Kulturraum [oder Nationalraum] verpflichtet ist. Freilich gibt es auch im Bildungsbereich weltgesellschaftliche Bemühungen, etwa auf der Ebene der UNESCO, die zahlreiche Dokumente und Beschlüsse zur Bildung hervorgebracht hat, die allerdings notwendig abstrakt ausfallen und weitgehend unverbindlich für die nationalen Bildungssysteme bleiben. Man kann dennoch langfristige Prozesse der formalen Angleichung von nationalen Bildungssystemen beobachten (s. auch Lenhart in Scheunpflug/Hirsch 2000). Faktisch gehen in einer Welt zunehmender Komplexität gehen einheitsstiftende Inhalte und Orientierungen verloren..... Es stellt sich deshalb folgende Frage:

„Was müssen Menschen lernen, um für eine zunehmend globalisierte Welt vorbereitet zu sein?“

Die Antwort auf diese Frage hängt u.a. von dem zugrundegelegten Verständnis der Globalisierung ab. Dazu einige skizzierte Beispiele:

Wird die Globalisierung handlungstheoretisch erklärt (z.B. Kößler in Scheunpflug/Hirsch 2000), also auf gesellschaftliche Strukturen (z.B. der kapital. Markt) und auf unterschiedliche Akteure zurückgeführt und die von Disparität gekennzeichnete Welt kritisiert, dann impliziert dies die Notwendigkeit eines „kritischen Bewusstseins“ und einer Gegenöffentlichkeit sowie einer Bildung, die zum weltweiten gesellschaftlichen Ausgleichs beitragen soll.

Wird die Globalisierung dagegen „evolutionär“ und systemtheoretisch erklärt (z.B. Treml in Scheunpflug/Hirsch 2000), dann geht es darum, das pädagogische Subsystem, der Entwicklung zur Weltgesellschaft anzupassen. Lernaufgaben für das „Überleben in der Weltgesellschaft“ müssen dann identifiziert werden, insbesondere muß der Umgang des Menschen mit den immer abstrakter werdenden Problemen des weltgesellschaftlichen Zusammenhangs gelernt, für die Menschen nach dieser Vorstellung von ihrer Natur aus (Nahbereichswesen) nicht ausgestattet sind. Die Darbietung kognitiver Orientierung und das Suchen von Anschlussmöglichkeiten für das Lernen werden dann wichtige päd. Aufgaben.

Aus Becks umfassenden, transnationalen Verständnis von Globalisierung, die verschiedene gesellschaftliche Bereiche umfasst, sich in einer Dialektik von Globalität und Lokalität entwickelt (s. kurzes Exzerpt als eigene WWW-Seite) und auch als Chance für die Menschen und die gesellschaftliche Entwicklung gesehen wird, folgt vor allem eine Neuorientierung der Bildungspolitik und des Bildungsverständnisses: Auf- und Ausbau der Bildungs- und Wissenschaftsgesellschaft. Orientierung der Ausbildung auf breit anwendbare Schlüsselqualifikationen, dazu gehört u.a. auch Sozialkompetenz, Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kulturverständnis, vernetztes Denken, Umgang mit Unsicherheiten und Paradoxien der Zweiten Moderne. Der Sinn des Lernens ändert sich im transkulturellen Nexus. Es gehört zu der aufregenden Dialektik der Globalisierung, überkommene ‚Belehrungsgesellschaften’ durch dialogische Aufmerksamkeit (Mut zum Mißverständnis) zu ersetzen. (Beck 1997 S. 230/231)

Die Orientierung auf (inhaltsunabhängige) Schlüsselqualifikationen bzw. –kompetenzen ist in unterschiedlichen Varianten eine verbreitete pädagogische Konsequenz der unterschiedlich verstandenen Globalisierung (z.B. auch Zuba 1998).

Aus der Perspektive derjenigen Teilen der Welt, die nicht von der Globalisierung profitieren folgen eher pädagogische Konsequenzen in der Tradition der „Befreiungspädagogik“. Zugunsten dieser benachteiligten Teile der Welt setzen sich solidarisch und ethisch ausgerichtete päd. Ansätze ein, wie zum Beispiel die „Dritte-Welt-Pädagogik“ und „Globales Lernen“ (dazu wird es ja eigene Referate geben, zur Kritik s. auch Seitz in Scheunpflug/Hirsch)

Aus einem gewerkschaftlichen Kontext (IG Chemie) sind beispielsweise folgende sieben Leitbilder für eine Bildung der Zukunft entstanden, die sich einerseits auf die Globalisierung beziehen, andererseits auf eine nachhaltige Entwicklung hin orientieren

  1. Bildung ist ein Entwicklungsfeld für Nachhaltigkeit.
  2. Bildung muß Grundwissen und Grundwerte vermitteln.
  3. Bildung muß Orientierungen geben hinsichtlich gesellschaftlicher und beruflicher Anforderungen und Entwicklungen, und zwar auch als politische Bildung.
  4. Bildung muß zu Rationalität und Reflexion, zu Kooperation und Kommunikation sowie zu lebenslangem Lernen befähigen.
  5. Bildung muß sich inhaltlich und methodisch am Prinzip der lernenden Organisation ausrichten.
  6. Bildung muß horizontal und vertikal Öffnungen und Differenzierungen aufweisen.
  7. Bildung muß in ihrer Praktikabilität und Effizenz durch Eigenverantwortung und Wettbewerb gestärkt werden. (aus: Walter 1999)

Literatur:

Beck, Ulrich: Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus - Antworten auf Globalisierung. Frankfurt 1998

Scheunpflug, Annette; Hirsch, Klaus (Hg.): Globalisierung als Herausforderung für die Pädagogik. Frankfurt 2000

Walter, Jürgen: Bildung der Zukunft. Für Nachhaltigkeit in Bildung und Gesellschaft. Frankfurt 1999

Zuba, Reinhard: Fit für die Globalisierung? Die Rolle der Schule bei der Förderung von Schlüsselqualifikationen. Wien 1998

Seite zuletzt geändert am 15.12.2008 15:27 Uhr